Problemlösen mit der Binomialverteilung

Mindestens/Höchstens-Aufgaben, kumulierte Wahrscheinlichkeiten und typische Abituraufgaben.

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Typische Aufgabentypen im Abitur

Die Binomialverteilung ist ein Abitur-Dauerbrenner! Hier lernst du die wichtigsten Aufgabentypen und systematische Lösungsstrategien.

🎯 Aufgabentypen

  • Mindestens/Höchstens: P(X ≥ k), P(X ≤ k)
  • Umkehraufgaben: n oder p gesucht
  • σ-Umgebungen: Wahrscheinlichkeit für Intervalle
  • Textaufgaben: Modellierung realer Situationen
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Wichtige Umrechnungen

Die Tabellen/GTR liefern meist nur P(X ≤ k). Daraus musst du andere Wahrscheinlichkeiten berechnen:

GesuchtUmrechnungBeispiel (n=20)
P(X=5) = P(X≤5) − P(X≤4)
P(X≥5) = 1 − P(X≤4)
P(X>5) = 1 − P(X≤5)
P(X<5) = P(X≤4)
P(3≤X≤7) = P(X≤7) − P(X≤2)

💡 Merkhilfe: „mindestens k" = „nicht weniger als k" = 1 − P(X ≤ k−1)

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Die σ-Umgebung des Erwartungswerts

Die σ-Umgebung beschreibt einen Bereich um den Erwartungswert μ, in dem „typische" Ergebnisse liegen:

📐 k·σ-Umgebung

Alle Werte im Abstand von höchstens k Standardabweichungen vom Erwartungswert.

1σ-Umgebung

≈ 68%

[μ−σ ; μ+σ]

2σ-Umgebung

≈ 95%

[μ−2σ ; μ+2σ]

3σ-Umgebung

≈ 99,7%

[μ−3σ ; μ+3σ]

✅ Beispiel

X ~ B(100; 0,3): μ = 30, σ = √21 ≈ 4,58

2σ-Umgebung: [30 − 9,16 ; 30 + 9,16] = [20,84 ; 39,16]

Gerundet auf ganze Zahlen: [21 ; 39]

Mit etwa 95% Wahrscheinlichkeit liegen die Ergebnisse zwischen 21 und 39.

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Umkehraufgabe: n gesucht

Häufiger Aufgabentyp: „Wie oft muss man mindestens würfeln, damit..."

Typische Fragestellung: Wie groß muss n sein, damit P(X ≥ 1) ≥ 0,95?

Schritt 1: Ungleichung aufstellen

P(X ≥ 1) ≥ 0,95 bedeutet: 1 − P(X = 0) ≥ 0,95

Schritt 2: Nach n umstellen

⚠️ Da ln(1−p) < 0, dreht sich das Ungleichungszeichen beim Teilen um!

Schritt 3: Einsetzen und aufrunden

Für p = 1/6 (z.B. Würfel, Erfolg = 6):

→ Man muss mindestens 17-mal würfeln.

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Kritischen Wert k bestimmen

Oft gesucht: „Ab welchem Wert k gilt P(X ≥ k) ≤ α?" (wichtig für Hypothesentests!)

Beispiel: X ~ B(50; 0,3). Bestimme das kleinste k mit P(X ≥ k) ≤ 0,05.

Methode 1: Systematisches Probieren

Berechne P(X ≥ k) = 1 − P(X ≤ k−1) für verschiedene k:

  • • k = 20: P(X ≥ 20) = 1 − P(X ≤ 19) ≈ 0,132 > 0,05 ✗
  • • k = 21: P(X ≥ 21) = 1 − P(X ≤ 20) ≈ 0,079 > 0,05 ✗
  • • k = 22: P(X ≥ 22) = 1 − P(X ≤ 21) ≈ 0,044 ≤ 0,05 ✓

→ k = 22

Methode 2: GTR (invBinom)

Viele Taschenrechner haben eine Umkehrfunktion. Suche das kleinste k mit P(X ≤ k−1) ≥ 0,95.

⚠️ Vorsicht: Achte genau auf die Formulierung! „P(X ≥ k) ≤ 0,05" ist etwas anderes als „P(X > k) ≤ 0,05".

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Textaufgaben systematisch lösen

Bei Textaufgaben ist die Modellierung der erste und wichtigste Schritt:

1

Bernoulli-Kette identifizieren

Was ist ein „Erfolg"? Was ist n? Was ist p?
Prüfe: Sind die Versuche unabhängig? Ist p konstant?

2

Zufallsvariable definieren

„Sei X die Anzahl der..." → X ~ B(n; p)

3

Wahrscheinlichkeit formulieren

Übersetze die Frage: „mindestens 5" → P(X ≥ 5), „zwischen 3 und 7" → P(3 ≤ X ≤ 7)

4

Berechnen und interpretieren

Berechnung durchführen und Ergebnis im Kontext interpretieren.

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Beispiel: Vollständige Textaufgabe

📝 Aufgabenstellung

Ein Pharmaunternehmen testet ein neues Medikament. Aus früheren Studien ist bekannt, dass es bei 70% der Patienten wirkt. In einer neuen Studie werden 20 Patienten behandelt.

a) Wie viele Patienten werden voraussichtlich eine Wirkung zeigen?
b) Mit welcher Wahrscheinlichkeit wirkt das Medikament bei mindestens 15 Patienten?
c) Mit welcher Wahrscheinlichkeit wirkt es bei genau 14 Patienten?
d) In welchem Bereich liegt die Anzahl der geheilten Patienten mit 95% Wahrscheinlichkeit?

Modellierung

X = „Anzahl der Patienten mit Wirkung"
X ~ B(20; 0,7)

a) Erwartungswert

Antwort: Man erwartet, dass bei 14 Patienten das Medikament wirkt.

b) P(X ≥ 15)

P(X ≥ 15) = 1 − P(X ≤ 14)

Mit GTR: binomcdf(20, 0.7, 14) ≈ 0,584

P(X ≥ 15) = 1 − 0,584 ≈ 0,416 = 41,6%

c) P(X = 14)

P(X = 14) = P(X ≤ 14) − P(X ≤ 13)

= 0,584 − 0,392 ≈ 0,192 = 19,2%

Oder direkt:

d) 95%-Bereich (2σ-Umgebung)

σ = √(20 · 0,7 · 0,3) = √4,2 ≈ 2,05

2σ-Umgebung: [14 − 4,1 ; 14 + 4,1] = [9,9 ; 18,1]

Antwort: Mit etwa 95% Wahrscheinlichkeit liegt die Anzahl zwischen 10 und 18.

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Übungsaufgaben

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Zusammenfassung

📝 Wichtige Umrechnungen

📊 σ-Regeln (Faustregeln)

  • • 1σ-Umgebung enthält ca. 68% der Werte
  • • 2σ-Umgebung enthält ca. 95% der Werte
  • • 3σ-Umgebung enthält ca. 99,7% der Werte

⚠️ Typische Fehler

  • ≥ vs. >: „mindestens 5" = X ≥ 5, nicht X > 5!
  • Gegenereignis vergessen: P(X ≥ k) oft einfacher über 1 − P(X ≤ k−1)
  • Rundung bei σ-Umgebung: Auf ganze Zahlen runden