Zweiseitiger Hypothesentest
Beidseitiger Ablehnungsbereich bei ungerichteten Fragestellungen und Konfidenzintervalle.
Wann braucht man einen zweiseitigen Test?
Ein zweiseitiger Hypothesentest wird verwendet, wenn sowohl zu kleine ALS AUCH zu große Werte gegen die Nullhypothese sprechen.
🎯 Typische Anwendungen
- • Fairness prüfen: Ist ein Würfel fair? (p = 1/6, nicht p ≠ 1/6)
- • Kalibrierung: Ist eine Maschine richtig eingestellt?
- • Qualitätskontrolle: Hat sich der Anteil verändert (egal ob gestiegen oder gesunken)?
- • Marktforschung: Hat sich die Kundenpräferenz geändert?
Zweiseitiger Test: Ablehnungsbereich auf BEIDEN Seiten
Hypothesen beim zweiseitigen Test
📐 Aufbau der Hypothesen
Nullhypothese:
„Der Wert ist genau p₀"
Alternativhypothese:
„Der Wert weicht von p₀ ab"
⚠️ Der entscheidende Unterschied
Beim zweiseitigen Test wird das Signifikanzniveau α auf beide Seiten aufgeteilt:
Links: und Rechts:
Bei α = 5% ist also auf jeder Seite nur 2,5% Fehlerwahrscheinlichkeit!
Ablehnungsbereich bestimmen
🎯 Zwei kritische Werte
Beim zweiseitigen Test gibt es zwei kritische Grenzen: k₁ (unten) und k₂ (oben).
Untere Grenze k₁:
Größtes k₁ mit dieser Eigenschaft
Obere Grenze k₂:
Kleinstes k₂ mit dieser Eigenschaft
📊 Entscheidungsregel
Ablehnungsbereich: {0, 1, ..., k₁} ∪ {k₂, k₂+1, ..., n}
Annahmebereich: {k₁+1, k₁+2, ..., k₂-1}
H₀ ablehnen, wenn X ≤ k₁ ODER X ≥ k₂
Vergleich: Einseitig vs. Zweiseitig
| Kriterium | Einseitig | Zweiseitig |
|---|---|---|
| H₁ | p > p₀ oder p < p₀ | p ≠ p₀ |
| Ablehnungsbereich | Nur auf einer Seite | Auf beiden Seiten |
| Fehlerverteilung | Gesamtes α auf einer Seite | α/2 auf jeder Seite |
| Kritischer Wert | Ein Wert k | Zwei Werte k₁ und k₂ |
| Anwendung | Richtung bekannt | Nur Abweichung interessant |
💡 Wann welchen Test?
- • Einseitig: „Ist der Anteil GRÖSSER geworden?" oder „KLEINER geworden?"
- • Zweiseitig: „Hat sich der Anteil VERÄNDERT?" (egal in welche Richtung)
Beispiel: Zweiseitiger Test
📝 Aufgabenstellung
Eine Münze wird 100-mal geworfen. Es wird vermutet, dass sie nicht fair ist (also p ≠ 0,5). Bei 62 Würfen zeigt sie Kopf. Teste zum Niveau α = 5%.
Schritt 1: Hypothesen
H₀: p = 0,5 (Münze ist fair)
H₁: p ≠ 0,5 (Münze ist nicht fair)
→ Zweiseitiger Test
Schritt 2: Signifikanzniveau aufteilen
α = 0,05 → α/2 = 0,025 auf jeder Seite
Schritt 3: Kritische Werte berechnen
X ~ B(100; 0,5), μ = 50, σ = 5
Untere Grenze k₁:
Suche größtes k₁ mit P(X ≤ k₁) ≤ 0,025
P(X ≤ 40) ≈ 0,028 > 0,025
P(X ≤ 39) ≈ 0,018 ≤ 0,025 ✓
k₁ = 39
Obere Grenze k₂:
Suche kleinstes k₂ mit P(X ≥ k₂) ≤ 0,025
P(X ≥ 60) ≈ 0,028 > 0,025
P(X ≥ 61) ≈ 0,018 ≤ 0,025 ✓
k₂ = 61
Ablehnungsbereich: {0, ..., 39} ∪ {61, ..., 100}
Annahmebereich: {40, 41, ..., 60}
Schritt 4: Entscheidung
Beobachteter Wert: X = 62
62 ≥ 61 → 62 liegt im oberen Ablehnungsbereich
→ H₀ wird abgelehnt.
Schritt 5: Interpretation
Mit 62 Kopfwürfen bei 100 Würfen gibt es signifikante Evidenz (auf dem 5%-Niveau), dass die Münze nicht fair ist. Die Abweichung von 50% ist statistisch signifikant.
Schnelle Methode: σ-Umgebung
Für große n kann der Annahmebereich näherungsweise mit der σ-Umgebung bestimmt werden.
📐 Näherung mit σ-Regel
Bei großem n liegt der Annahmebereich ungefähr bei:
| α | c (Faktor) | Überdeckung |
|---|---|---|
| 10% | 1,64 | ≈ 90% |
| 5% | 1,96 ≈ 2 | ≈ 95% |
| 1% | 2,58 | ≈ 99% |
📊 Beispiel mit σ-Regel
Münzwurf mit n = 100, p₀ = 0,5, α = 5%:
- μ = n · p₀ = 100 · 0,5 = 50
- σ = √(n · p₀ · (1-p₀)) = √25 = 5
- c = 1,96 ≈ 2
Annahmebereich: 50 - 2·5 ≤ X ≤ 50 + 2·5
→ 40 ≤ X ≤ 60
(Exakt: 40 bis 60, σ-Näherung: auch 40 bis 60 ✓)
Übungsaufgaben
Zusammenfassung
📝 Zweiseitiger Hypothesentest
Hypothesen:
H₀: p = p₀ vs. H₁: p ≠ p₀
Kritische Werte:
k₁: P(X ≤ k₁) ≤ α/2
k₂: P(X ≥ k₂) ≤ α/2
σ-Näherung (α = 5%):
Annahmebereich: μ ± 2σ = [μ - 2σ; μ + 2σ]
⚠️ Wichtig
- • Bei α = 5% ist auf JEDER Seite nur 2,5%!
- • Der Annahmebereich ist SYMMETRISCH um μ.
- • Zweiseitiger Test ist „strenger" als einseitiger (größerer Annahmebereich).